Ist Ihr Wunscherbe Alleinerbe, Ersatzerbe oder Schlusserbe?

Hat man seien Wunscherben gefunden, der hoffentlich verantwortungsvoll mit dem eigenen Erbe umgeht, so muss man ihn auch richtig einsetzen. Zeit für eine kleine Anleitung seinen Wunscherben richtig erben zu lassen…


Alleinerbe, Vollerbe, Miterbe, Vorerbe, Nacherbe, Ersatzerbe und Schlusserbe - das ist doch nur Semantik …?

Leider nicht.

Hier eine einfache Auflösung:

Alleinerbe

Der Alleinerbe ist der vom Erblasser als einziger Erbe eingesetzte Erbe. Sie oder er erbt den kompletten Nachlass (Vermögen und Schulden) in der Sekunde des Todes allein. Sind weitere gesetzliche Erben vorhanden, so erben diese neben dem testamentarisch eingesetzten Alleinerben nichts. Sie sind enterbt. Etwaige Pflichteilsansprüche bleiben jedoch bestehen. Der Alleinerbe kann vom Erblasser im Testament mit Beschränkungen belegt werden z.B. mit einer Vorerbschaft, einem Vermächtnis, Auflage oder Testamentsvollstreckung, etc..

Miterbe

Der Miterbe ist einer von mindestens zwei Erben. Wird vom Erblasser mehr als ein Erbe eingesetzt, so entsteht qua Gesetz unter den Miterben eine Erbengemeinschaft. Im Gegensatz zum Alleinerben kann ein Miterbe in einer ungeteilten Erbengemeinschaft nicht allein über einen Vermögensgegenstand des Nachlasses verfügen, sondern immer nur im Konsens mit allen anderen Miterben. In der Erbengemeinschaft kann man einen anderen Miterben auch nicht mit einer Mehrheit überstimmen. Ein Miterbe kann wie der Alleinerbe mit weiteren Beschwerungen belegt werden, wie z.B. mit einer Vorerbschaft, einem Vermächtnis, Auflage oder Testamentsvollstreckung, etc..

Vollerbe

Als Vollerbe wird der Alleinerbe im Ehegattentestament bezeichnet, wenn im Ehegattentestament (Berliner Testament) die sog. Einheitslösung gewählt wird. Bei der Einheitslösung erbt der zuletzt versterbende Ehegatte zunächst das Vermögen allein, ohne einer Beschränkung unterworfen zu sein - er/sie erbt “voll” und das geerbte Vermögen verschmilzt mit dem Eigenvermögen des noch lebenden Ehegatten zu einer Einheit. Aufgrund der uneingeschränkten Verfügungsgewalt, die der längerlebende Ehegatte über das ererbte Vermögen hat, spricht man vom Vollerben. Vorhandene Abkömmlinge werden im ersten Erbfall enterbt.

Statt der Einheitslösung kann im Ehegattentestament auch die sog. Trennungslösung vereinbart werden. Trennungslösung bedeutet, dass der längerlebende Ehegatte das geerbte Nachlassvermögen nicht als Vollerbe wie eigenes Vermögen, sondern wie Sondervermögen getrennt zu behandeln hat. Er ist dann für das Vermögen nicht Vollerbe, sondern “nur” Vorerbe. Stirbt der Vorerbe, erben die Nacherben (häufig die Kinder)

Vorerbe (nicht befreit und befreit)

Der Vorerbe ist genauso wie der Allein-, Voll- oder Miterbe echter Erbe gemäss §1923 BGB. Zwar kann der Vorerbe grundsätzlich über die Nachlassgegenstände frei verfügen, ist jedoch anders als der unbeschwerte Erbe in seiner Verfügungsberechtigung gesetzlichen Beschränkungen unterworfen. Hintergrund ist, dass gemäss der gesetzlichen Grundidee der Vorerbe die Vorerbschaft für den Nacherben erhalten und quasi treuhänderisch verwalten soll. Der Nachlass wird sozusagen beim Vorerben zwischengeparkt. Erst der Nacherbe ist der eigentliche Empfänger der Erbschaft und über die Anordnung einer Vor-/Nacherbschaft schon fest bestimmt. Die Vorerbschaft verschmilzt deshalb auch nicht mit dem Eigenvermögen des Vorerben, sondern bleibt bis zum Eintritt des Nacherbfalls beim Vorerben getrenntes Sondervermögen.

Mit der Anordnung einer Vor-/Nacherbschaft kann also über mehr als eine Generation hinweg rechtssicher bestimmt werden, wer das Vermögen des Erblassers erhalten soll.

Offen ist jedoch, wie stark der Vorerbe beschränkt sein soll und ob er die Vorerbschaft während seiner Verwaltungsdauer umfangreich antasten darf oder nicht. Diese Entscheidung trifft der Erblasser in seinem Testament, indem er den Vorerben von den gesetzlichen Beschränkungen weitgehend befreit oder nicht. Das Gesetz lässt eine Befreiung im maximalen Umfang gemäss §2136 BGB zu. Danach darf allerdings auch ein maximal befreiter Vorerbe z.B. keine Nachlassgenstände verschenken. Der nicht befreite Vorerbe darf im Wesentlichen nur die Früchte nutzen (also z.B. die Miete einer Immobilie verbrauchen), nicht aber die Substanz des Nachlasses verbrauchen.

Die Vorerbe verliert die Erbschaft bei Eintritt des Nacherbfalls. Er ist dann nicht mehr Erbe und muss den Nachlass herausgeben. Wann der Nacherbfall eintritt, bestimmt der Erblasser im Testament; ist kein Zeitpunkt oder Ereignis bestimmt, tritt der Nacherbfall mit dem Tod des Vorerben ein.

Nacherbe

Der Nacherbe ist ebenfalls echter Erbe gemäss §1923 BGB. Der Nacherbe erbt das Vermögen des Erblassers, welches als Sondervermögen vom Vorerben solange verwaltet wurde, bis der Nacherbfall eintritt. Der Zeitpunkt oder das Ereignis, zu dem der Nacherbe den Nachlass erhalten soll, wird vom Erblasser im Testament bestimmt - in der Regel bei Tod des Vorerben. Mit Eintritt des Nacherbfalls hört der Vorerbe auf Erbe zu sein und muss den Nachlass an den Nacherben herausgeben. Der Nacherbe ist sozusagen der eigentliche Empfänger der Erbschaft des Erblassers und unterliegt nicht den Beschränkungen der Vorerbschaft, sondern kann über sein Erbe frei verfügen. Ja nachdem wie der Vorerbe mit dem Vermögen während seiner Verwaltung umgegangen ist und ob er befreiter Vorerbe oder nicht befreiter Vorerbe war, kann das Vermögen deutlich gestiegen, gleich geblieben oder auch weitgehend verbraucht sein.

Sofern eine pflichtteilsberechtigte Person vom Erblasser (nur) als Nacherbe eingesetzt wurde, kann diese die Nacherbschaft ausschlagen und den Pflichtteil verlangen. Wertmässig ist dabei auf den Zeitpunkt des Erbfalls abzustellen.

Ersatzerbe

Ersatzerbe ist, wie der Name sagt, die Ersatzperson für einen Erben, der weggefallen ist (§2096 BGB). Ein “Wegfall” kann vielfältig sein, der ursprünglich designierte Erbe könnte z.B. nach der Testamentserstellung, aber vor dem Erbfall gestorben sein oder nach dem Erbfall das Erbe ausschlagen. Wird nichts geregelt, würde das Testament ausgelegt werden müssen bzw. die gesetzliche Erbfolge greifen, denn es gibt im deutschen Erbrecht keinen herrenlosen Nachlass. Um Sicherheit zu haben, empfiehlt es sich sehr eine Ersatzerbenregelung (z.B. namentliche Nennung eines Ersatzerben oder Verweis auf die gesetzliche Erbfolge) ins Testament aufzunehmen. Man kann einen Ersatzerben für alle Konstellationen bestimmen, also für den Alleinerben, einen Miterben, Vor- oder Nacherben, usw.. Auch die Benennung eines Ersatz-Ersatzerben ist möglich.

Schlusserbe

Im BGB findet man den Begriff Schlusserbe nicht. In der testamentarischen Praxis ist der Schlusserbe eine Figur, die in einem gemeinschaftlichen Ehegattentestament verwendet wird, welches nach der sog. Einheitslösung konzipiert ist.

Die Einheitslösung sieht vor, dass zunächst der überlebende Ehegatte alleiniger Vollerbe (nicht Vorerbe) wird und deshalb über das geerbte Vermögen ohne Beschränkungen verfügen kann. Erst beim Tod des längerlebenden Ehegatten geht der dann noch vorhandene Gesamtnachlass an den/die Schlusserben (z.B. die gemeinsamen Kinder).

Würde die sog. Trennungslösung im Ehegattentestament vereinbart, so wäre der überlebende Ehegatte nicht Vollerbe, sondern nur Vorerbe und die letztbegünstigten Dritte (z.B. Kinder) nicht Schlusserben, sondern als Nacherben bezeichnet.

Im gemeinschaftlichen Testament, welches nur von Eheleuten u. gleichgestellten Lebenspartnerschaften erreichtet werden kann, gehören also folgende Bezeichnungspaare zusammen:

  • Einheitslösung: Vollerbe und Schlusserbe (z.B. überlebender Ehegatte und Kinder)

  • Trennungslösung: Vorerbe und Nacherbe (z.B. überlebender Ehegatte und Kinder)

In beiden Konstruktionen erben am Schluss die Kinder - je nach Rechtsposition des überlebenden Ehegatten werden sie aber entweder als Schlusserben oder Nacherben bezeichnet.

Weil sich beide Ehegatten gegenseitig zu “Erst”-Erben einsetzen, ist nach dem ersten Todesfall die Erbeinsetzung zugunsten des bereits Verstorbenen wirkungslos. Insofern werden die eingesetzten Kinder meist auch als Ersatzerben des Längerlebenden eingesetzt.

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Autor: Stefan Herborg - ERBEn NEU ERLEBEN
Mensch statt Anwalt für Erbcoaching, Testamentsvollstreckung und Mediation