Testament? So geht’s! - Teil 1

Mieses Testament? Besser nicht, denn der Konflikt schwelt weiter…

Mieses Testament? Besser nicht, denn der Konflikt schwelt weiter…

Ein Testament ist durchaus geeignet seinen Angehörigen posthum noch so richtig eins auszuwischen. Und nein, hier soll mit einem gemeinen Testament natürlich keine Anleitung zur Förderung von Generationenkonflikten entstehen, denn das Testament ist ein sehr mächtiges Instrument, mit dem verantwortungsvoll und friedensstiftend umgegangen werden sollte.

Ein wirksames, individuelles Testament ersetzt die gesetzlichen Erb-Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) durch individuelle, eigene Regelungen. Das Recht und die Freiheit des Erblassers die Inhalte seines Testaments frei zu bestimmen, sind nicht nur im deutschen Kulturkreis ein sehr hohes Gut und basieren auf dem Grundsatz der Privatautonomie.

Danach kann jeder Mensch seine Lebensverhältnisse (Rechtsgeschäfte) nach seinem eigenen Willen gestalten, über sein Eigentum frei entscheiden und auch einseitig letztwillige Verfügungen vornehmen (sog. Testierfreiheit, geschützt durch Art. 14 Grundgesetz). Dieser sehr weite Rahmen wird lediglich dort eingeschränkt, wo andere, ebenfalls schützenswerte Interessen, verletzt werden. Dazu gehören sittenwidrige Inhalte oder das Pflichteilsrecht.

Wer diese besondere Gestaltungsfreiheit in der Absicht nutzt, zu Lebzeiten ungelöste Konflikte nach dem Tod weiter auszutragen, oder aus dem Grab heraus den Richter zu spielen, muss sich fragen, ob posthumer Streit und die Finanzierung von Steuerberatern, Anwälten und Gerichten wirklich das ist, was als Vermächtnis eines langen Lebens übrig bleiben soll.

Aber selbst für ein “mieses” Testament gelten die gleichen Anforderungen wie für ein gut gemeintes Testament - insofern lohnt sich Weiterlesen bei jeder Motivationslage. Dieser Beitrag klärt die “Anforderungen an die Wirksamkeit” eines selbst geschriebenen Testaments, Teil 2: Aufbau und Struktur eines Testaments und Teil 3: die Top 3 Irrtümer im eigenhändigen Testament.


Teil1: Formvorschriften zur Sicherstellung der Wirksamkeit eines eigenhändigen Testaments

Was fordert das Gesetz für ein wirksames, selbst geschriebenes Testament ohne Notar?

Grundsätzlich ist das eigenhändige “ordentliche” Testament vor dem Gesetz nicht weniger wert, als ein öffentliches, mithilfe eines Notars errichtetes Testament. Dies bestimmt §2231 BGB. Zwingend zu beachten ist:

  • Altersvorschrift in §2229 (1) BGB der Volljährigkeit. Der Verfasser eines eigenhändigen Testaments muss das 18. Lebensjahr vollendet haben. Unter 16 Jahren kann man kein Testament errichten. Zwischen 16 bis unter 18 Jahren ist der Notar vorgeschrieben.

  • Vorschrift zur Testierfähigkeit in §2229 (4) BGB. Testierfähig ist, wer nicht an Geistes- oder Bewusstseinsstörungen leidet, die eine tatsächliche Einsicht über die Folgen oder die Tragweite von Verfügungen unmöglich machen würden.

  • Formvorschrift in §2247 (1) BGB der Eigenhändigkeit und Unterschrift beachten, wobei bei Ehegattentestamenten eine Erleichterung nach §2267 BGB gilt, wonach nur ein Ehegatte das Testament schreiben muss und der andere mitunterzeichnet.

  • Formvorschrift in §2247 (4) BGB der notwendigen Lesekompetenz (“… wer Geschriebenes zu lesen vermag…”) beachten.

Bei Nichtbeachtung ist das ganze eigenhändige Testament ungültig und es gilt dann entweder ein älteres, wirksames Testament oder die gesetzliche Erbfolge.

Weiterhin muss der Erblasser für ein vollwirksames Testament frei von Bindungen aus vorherigen Testamenten sein. Bei früher getroffenen erbrechtlichen Verfügungen z.B. in einem gemeinschaftlichen (Berliner) Testament mit sog. wechselbezüglichen Verfügungen oder Erbvertrag können (einzelne) Anordnungen getroffen worden sein, die der Erblasser nicht mehr ohne Zustimmung seitens des Ehegatten oder Vertragspartners ändern bzw. darüber neu verfügen kann (§§ 2270, 2271 BGB und § 2289 BGB).

Was heisst das in der Testaments-Praxis konkret?

  • Mindestens 18 Jahre alt sein, geistig fit und lesen können.

  • Das Testament von der ersten bis zur letzten Zeile mit der eigenen Hand selbst ohne Einfluss Dritter schreiben

  • Ort, Zeit (Tag, Monat, Jahr) hinzufügen

  • Das Testament am Ende mit vollem Namen (Vorname und Familienname) unterschreiben

  • Bei Ehegattentestamenten genügt es, wenn nur einer der beiden Ehegatten das Testament schreibt und das Testament dann auch vom anderen Ehegatten unterschrieben wird.

  • Die Formvorschriften gelten auch für ein zeitlich späteres Testament bzw. einem Ergänzungstestament. Bei widersprüchlichen Regelungen in zwei gültigen Testamenten gilt die Regelung des zeitlich späteren Testaments. Die frühere Regelung gilt als widerrufen.

  • Tipp: die grösste Sicherheit wird dann erreicht, wenn das alte Testament vernichtet und ein neues Testament unter Beachtung der Formvorschriften komplett neu geschrieben wird.

Wer diese Vorschriften beherzigt bzw. erfüllt, kann ein wirksames Testament selbst errichten.

Obwohl es (bis auf wenige Ausnahmen) kaum Beschränkungen bezüglich Inhalt oder Aufbau eines Testamentes gibt - es soll ja auch ohne juristische Ausbildung geschrieben werden können - ist es dennoch hilfreich in seinem Testament einer Struktur bzw. Aufbau zu folgen, denn damit wird die Verständlichkeit und die Sicherheit, dass das Testament so umgesetzt wird wie gewollt, deutlich erhöht.

Lesen sie dazu: Mieses Testament? So geht’s! - Teil 2: Struktur- und Aufbau eines Testaments

Schliesslich sollte jeder, der ein Testament schreibt ein paar Fachbegriffe versehen, die bei falscher Verwendung zu Auslegungsstreitigkeiten führen können. Teil 3 beschäftigt sich deshalb mit den wichtigsten Begriffen und Regelungsinhalten eines Testaments.

Lesen Sie dazu: Mieses Testament? So geht’s! - Teil 3: Top 3 fehlerhaft verwendeter Begriffe und Irrtümer im eigenhändigen Testament

Autor: Stefan Herborg - ERBEn NEU ERLEBEN
Mensch statt Anwalt für Erbcoaching, Testamentsvollstreckung und Mediation